Der um die Ecke des Parsenplatzes rasende Sportwagen stoppte so plötzlich, dass die Bremsen quietschten. Der hintere Teil des Wagens hob sich einen Augenblick, als wolle er sich überschlagen. Dann standen die Räder. »Parbleu!« kam es von innen. Unter dem amerikanischen Verdeck schoss ein Kopf vor. »Jagt dich der Teufel, Halunke!« Der indische Fahrer winkte beschwichtigend ab und erklärte in gebrochenem Englisch: »Umzug, Sahib. Die Jainas. Ganze Straße voll Menschen.«

Der Weiße kniff ärgerlich die Lippen zusammen und lehnte sich in sein Polster zurück. Der helle Tropenhut hatte sich verschoben, so dass das graumelierte Haar in die Stirn fiel. Er rückte ihn zurecht und drehte sich zu seinem Begleiter. »Wieder einer dieser verrückten Festzüge der Burschen. Man stolpert an allen Ecken darüber. Seit dem missglückten Erduntergang vor sechs Monaten ist Bombay ein einziges Tollhaus geworden.

Als der Meteor noch die Erde bedrohte, war die Meute besessen vor Grauen, jetzt heult sie vor Freude. StraßenĀ­feste, Umzüge an jeder Straßenecke. All das Volk aus den Pettahs wälzt sich durch die Straßen, um seinen unzähligen Göttern Dankopfer zu bringen. Schauen Sie nur diesen Aufzug! Für Sie hat der Zauber da vorne ja noch den Reiz des Neuen.« Neben dem Auto tauchte der Riesenleib eines Elefanten auf. Der schlanke Inder saß hoch oben auf seinem Rücken, dicht hinter dem gewaltigen Schädel des Tieres. Seine braunen Füße hatte er hinter die Ohren des Dickhäuters gestemmt. Prunkvolle Decken und Teppiche hingen zu beiden Seiten herab und wirbelten Staub auf.

Der Jüngere bog sich weit unter dem Verdeck vor, um besser sehen zu können, im gleichen Augenblick fuhr ihm der schlenkernde Rüssel des Tieres feucht über die Backe.

»Fi donc!« machte er erschrocken. Der andere lachte laut auf und beherrschte sich mühsam, »Vorsichtig, mein Lieber. So etwas nennt man einen Elefantenkuss. Ihre bulgarisch-französische Anziehungs-kraft!« Der Bulgare wischte sich mit seinem parfümierten Taschentuch über die Augen. Immer neue Massen schreiender, heulender, tanzender Menschen strömten vorüber.

Alle trugen festliche Kleider, weiße Gewänder und farbige Tücher. Spielleute bearbeiteten in wildem Rhythmus die Felle ihrer Trommeln oder entlockten ihren langen, dünnen Flöten unheimlich hohe und quieckende Töne. Dazwischen stolzierten in würdevollem Trott die riesigen Elefanten, heilige Kühe aus den Tempeln der Jainas, tollten kreischende Affen neben bunten Symbolen der indischen Gottheiten.

Der junge Bulgare war fasziniert. »Ein fabelhaftes Bild, Monsieur Cachin!«

»Das werden Sie in den nächsten Tagen noch öfter erleben. Diesmal sind es die Jainas, die Mahawira anbeten, den überwundenen Rivalen Gautamas.

Morgen sind es die Parsen, die Jünger Zarathustras, die übrigens hier in Bombay die reichsten Kaufleute sind, neben den Mohammedanern, die den Juwelenhandel beherrschen.

Auch all die anderen Rassen und Kasten werden Sie kennenlernen, Goanesen, Afghanen, Singhalesen, und wie sie alle heißen.« Der Wagen setzte sich plötzlich wieder in Bewegung. Wasa, der Lenker, hatte geschickt eine Lücke erwischt und sauste mit voller Geschwindigkeit auf die andere Seite der Straße. Der europäische Charakter des Stadtteils wurde immer beherrschender, Kirchen, Regierungspaläste, das große Klubhaus in gotischem Stil, weite europäisch angelegte Ziergärten, Tennis- und Hockeyplätze blieben hinter dem Auto zurück.

Dann hielt der Wagen vor einem weitläufigen, einstöckigen Bau im Sti1 eines englischen Landhauses. Mehrere farbige Diener eilten diensteifrig zum Öffnen der Wagentüre. Der Graumelierte beachtete sie nicht und ging ohne Zögern durch die Halle des Hauses.

Ein weißer Angestellter kam ihm entgegen und reichte ihm einen Meldeblock. Der Fremde nahm den Bleistift und überflog kurz den Vordruck.

»Professor Cachin«, schrieb er bedächtig. »Brüssel« Und in eine besondere Spalte des Zettels: »Chemie«. Der kleine Bulgare folgte seinem Beispiel.

»Dumascu«, schrieb er hastig. »Paris, Ingenieur« Der Sekretär prüfte die Namen und hob einen Vorhang. »Madame erwartet die Herren.«

Der Professor sah überrascht auf.

»Madame hat uns schon heute erwartet? Wir wollten eigentlich erst morgen von Benares hier eintreffen und...« Über das Gesicht des Angestellten lief die Andeutung eines Lächelns. »Da die Herren bereits heute nacht 3 Uhr 40 in Bombay eingetroffen sind und im Hotel des Indes Quartier genommen haben, erwartete die Herrin Sie schon heute.«

Cachin gab keine Antwort und ging durch den Vorhang.

»Unheimliche Frau!« zischte er Dumascu zu. »Ihre Spione sitzen in jeder Spelunke.« Im nächsten Zimmer übernahm ein Hindu die Führung und öffnete eine verborgene Tür. Die beiden Fremden sahen sich plötzlich einer größeren Gesellschaft von Herren gegenüber.