Leseprobe

Wenn wir diese Schlüsselcharakteristiken miteinander kombinieren, können wir das logische ganzheitliche System der Definition erkennen, die ich in der Einleitung aufgeführt habe: Ein lebendiges Universum ist ein vereintes und vollkommen voneinander abhängiges System, das ständig vom Durchfluss enormer Massen an Lebensenergie erneuert wird, deren Grundwesen Bewusstsein oder eine selbst-reflexive Fähigkeit einbezieht, die Systemen auf jeder Existenzebene eine gewisse Entscheidungsfreiheit ermöglicht. Das Universum besitzt auch noch andere Eigenschaften lebender Systeme, wie zum Beispiel die Fähigkeit, sich selbst über schwarze Löcher zu reproduzieren, die die Saatanleitungen für das Wachstum neuer kosmischer Systeme liefern.Da das Universum offensichtlich jedes Schlüsselkriterium für Lebendigkeit erfüllt, lassen gegenwärtige Forschungsergebnisse die Schlussfolgerung zu, dass das Universum ein Lebenssystem ist. Während diese kombinierten Eigenschaften zwar nicht beweisen, dass das Universum ein Lebenssystem ist, weisen sie eindeutig in diese Richtung. Weil unser Universum Kerneigenschaften verkörpert, die für Lebenssysteme typisch sind, scheint es aus wissenschaftlicher Sicht zwingend erforderlich zu sein, das Universum als eine Art Lebenssystem zu erforschen.Wir haben eine wissenschaftliche Definition des Universums als lebendiges System näher untersucht. Nun werden wir uns überlegen, welchen Bezug das zu uns als Menschen hat. Wie ändert sich unser Verständnis, wer wir sind und auf was für einer Reise wir uns befinden, dadurch, wenn wir in einem lebendigen Universum leben?

Wer wir sind, hängt unmittelbar davon ab, wo wir sind. Sind wir ein untrennbarer Teil einer größeren Lebendigkeit? Oder sind wir nur ein Staubkorn Leben, das von einem riesigen toten Meer umgeben ist? Wie sehen die traditionellen Weisheiten der Welt das Universum und unseren Bezug dazu? Betrachten sie diese Welt als einen toten Ort, den wir zurücklassen und überwinden? Oder sehen sie das Universum als ein Wunder atemberaubender Lebendigkeit? Welche Beschreibungen des Universums entstehen, wenn Menschen auf der ganzen Welt über die Jahrhunderte hinweg ihre tiefsinnigen Erkenntnisse über das Wesen der Existenz schildern? Wenn Weise und Heilige aus verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeitpunkten der menschlichen Geschichte einen Ort des tiefsten inneren Gleichgewichts und der inneren Ruhe gefunden haben – was sind ihre Erkenntnisse in Bezug auf das Wesen des Universums und unseren Platz darin? Seit über drei Jahrzehnten untersuche ich, wie die Wissenstraditionen der Welt das Universum sehen. Obwohl die Vorstellungen der spirituellen Traditionen relativ bekannt sind, wenn es um Liebe und Mitgefühl geht, war mir nicht klar, wie sie das Universum betrachten. War es möglich, dass die Religionen das Universum als etwas »da draußen« sehen, das von der spirituellen Suche hier drinnen im Großen und Ganzen getrennt ist? Oder wird unsere Beziehung zum Universum als etwas angesehen, das in unser spirituelles Erwachen und unsere innere Entwicklung integriert ist?

Anhand einer Vielfalt von Quellen möchte ich aufzeigen, wie Weisheitstraditionen das Universum sehen: christliche, muslimische, hinduistische, buddhistische, taoistische, konfuzianistische Religionen, Naturvölker und noch mehr. Mir ist klar, dass es innerhalb der einzelnen Traditionen und zwischen ihnen starke Unterschiede gibt. Die Spaltung der Religionen in der heutigen Welt ist eine mächtige und beunruhigende Tatsache. Und dennoch: Wenn wir ihre vielen Unterschiede zulassen und untersuchen, wie jede einzelne Tradition das Universum sieht, sind die Ähnlichkeiten, die wir entdecken, wohl erstaunlich und enorm wichtig, wenn es darum geht, ein gemeinsames Verständnis aufzudecken, das alle Weisheitstraditionen teilen. Wenn verschiedene geistliche Traditionen ihre eigene vertiefte Vorstellung von unserer gemeinsamen Heimat, dem Universum, haben, bilden sich gemeinsame Themen heraus. Häufig ist es die mystischere Tradition einer spirituellen Gemeinschaft, die diesen Tiefen am intensivsten auf den Grund geht. Wenn man die geschichtlichen, kulturellen und geografischen Unterschiede bedenkt, überrascht es nicht, dass jede Glaubensgemeinschaft der Welt das Universum auf eine andere Weise beschreibt. Es ist daher wichtig, jeder Religion zu ihren eigenen Bedingungen zu begegnen, sie für sich selbst sprechen und uns über ihre einzigartigen Erkenntnisse informieren zu lassen.Wir werden die Vorstellungen vom Universum aus der Sicht eines halben Dutzends Religionen untersuchen, der die Mehrheit der globalen Bevölkerung angehört. Auch wenn alle Glaubenssysteme es verdienen, mit einbezogen zu werden, repräsentiert diese Handvoll die überwältigende Mehrheit der menschlichen Familie und liefert uns daher für diesen Überblick ein stabiles Fundament. Man darf dabei nicht vergessen, dass manche Menschen der Art, wie ihre Religion das Universum ansieht, keine große Aufmerksamkeit schenken oder mit der Vorstellung, die ihre Glaubensgemeinde vom Universum hat, nicht unbedingt übereinstimmen. Mit größtmöglicher Vorsicht, die Überzeugungen der Menschen nicht zu überinterpretieren, wollen wir uns nun näher ansehen, wie die Weltreligionen das Universum und die Beziehung des Menschen zum Universum sehen.